Paso Agua Negra auf 4779 Meter

Argentinien von West nach Ost

Bevor wir den fast 4800 Meter hohen Agua Negra in Angriff nehmen, verbringen wir ein paar Tage im schönen Valle Elki. Das Tal ist bekannt für seine sonnen gereiften Früchte und noch bekannter für seinen vorzüglichen Pisco. Das frische Quellwasser aus den Bergen erlaubt eine Landwirtschaft die vornehmlich auf Weintrauben ausgerichtet ist. Es versteht sich von selbst, dass sich auch bei uns ein paar Flaschen dieses Hochprozentigen Gebräus in die hintersten Stauräume des Suri verirren.

 

In diesem Tal, das auch bekannt für seine UFO Sichtungen ist, beziehen wir im hintersten Winkel unsern Stellplatz, weit abseits des Trubels mit einer tollen Aussicht über das Weinanbaugebiet. Auf den 1. Blick denken wir, ebenfalls ein UFO zu entdecken, das da auf uns zu kommt. Aber nein, es ist real, es sind Maria und Walter in ihrem Mercedes Reisemobil. Das letzte Mal haben wir sie weit unten im Süden Argentiniens getroffen, in der Nähe von San Martin de los Andes und nun fahren sie hupend auf uns zu. Die Freude ist gross und unser Wiedersehen muss ausgiebig gefeiert werden. Was eignet sich besser als das Lokalgetränk des Tals…….natürlich einen Pisco.

Über einen der höchsten Pässe weltweit

Am nächsten Tag entscheiden wir uns, gemeinsam über den Paso de Agua Negra zu fahren. Dieser Pass verbindet Chile mit Argentinien, ein paar 100 km nördlich von Santiago, der Hauptstadt Chiles. Er ist der höchste befahrbare Pass zwischen den zwei Ländern und steigt an seinem Scheitelpunkt bis auf 4779 Meter an. Infolge seiner Höhe ist der Pass meistens nur von Dezember bis Mitte / Ende April geöffnet.

Damit wir die lange Strecke gemütlich in Angriff nehmen können, die zwei Grenzposten liegen über 160 km voneinander entfernt, übernachten wir gleich neben dem Zoolhäuschen.

Sobald der Zoll am nächsten Morgen geöffnet hat, erledigen wir die Ausreiseformalitäten und fahren im Mini-Konvoi den Berg hoch.

Eine gute, asphaltierte Strasse bringt uns zur Lagune hoch, die auf 2000 Metern liegt. Bei einem ausgiebigen Frühstück kräftigen wir uns wohl wissend, dass noch mehr als zweitausendfünfhundert Höhenmeter vor uns liegen.

Von hier geht die Strasse in Schotter über, das hat den Vorteil, dass die langsamere Fahrweise zwar anstrengender ist, doch gerade die angepasste Geschwindigkeit zwingt einem zu mehr Musse in dieser atemberaubenden Bergwelt.

Heute haben wir Ostermontag und alle paar Kilometer legen wir einen Zwischenstopp ein, einfach nur um zu geniessen. Immer mehr fangen die Berge an sich zu verfärben. Erst sind sie grau-braun, dann schimmern sie zart-rosa, nur um ein paar hundert Höhenmeter später in ein leuchtend gelb-rotes Kleid aus Safran zu verfallen. Wir kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus und glauben, dass der Osterhase hier jedes Jahr seine Inspirationen für das bemalen seiner Eier holt.

Der Anstieg zur Passhöhe wird immer steiler. Nur wenige Autos quälen sich mit uns zusammen die steinige, schmale Passstrasse hinauf. Unser Suri keucht und stottert, denn auch er spürt den verringerten Sauerstoff in dieser Höhe. Infolge des unverbrannten Diesels qualmt schwarzer Rauch aus dem Auspuffrohr. Langsam, Kurve um Kurve, Meter um Meter, kommen wir unserem Ziel, dem höchsten Punkt auf unser diesjährigen Reise, ein wenig näher.

Büsserschneefelder glitzern am Wegesrand

Geschafft, wir sind auf 4779 Meter über dem Meer. Zusammen mit Maria und Walter gibt es ein paar Erinnerungsfotos, dass muss sein. Bei jedem Schritt spüren wir den Sauerstoffmangel, unsere Lungen ziehen sich zusammen, der Puls schnellt in die Höhe, Zeit, uns in niedrige Gefilde zu begeben. Auf der anderen Passseite geht die Fahrt ebenso gemächlich Richtung Argentinien. Entlang von hoch aufragenden, über 3 Meter hohen Büsserschneefelder schraubt sich unser zuverlässiges Gefährt nach unten. Sonne und Wind haben die steil aufragenden Gebilde geformt. Die spitzen Eisfelder glitzern in der Sonne vor einem makellos, blauen Himmel. Einmal mehr sind wir überwältigt von der Einzigartigkeit und Schönheit der Natur. Ein Glücksgefühl steigt in uns auf, eine Dankbarkeit, das wir das alles mit eigenen Augen sehen dürfen.

Ab 2000 Meter gibt es erneut eine asphaltierte Strasse die uns hinunter bis zur argentinischen Zollstation bringt.

Auf zum surrealen Wüstenpark Ischigualasto

Wir befinden uns in einer lebensfeindlichen, bizarren und trotzdem überaus beeindruckenden Gegend im abgeschiedenen Winkel des Ischigualasto National Parks. Mond-artige Krater und Schluchten durchsetzen die Wüstenlandschaft, wo zu Urzeiten noch Dinosaurier umherzogen. Zusammen mit einem Deutschen Paar, dessen Sohn und Schwiegertochter wir vor kurzem in Chile begegnet sind, beziehen wir das Nachtlager auf dem angrenzenden Campingplatz. Unglaubliche 2,5 sFr. kostet hier die Nacht für 2 Personen mit Strom und warmer Dusche. Wir müssen zweimal nachfragen, ob wir uns nicht verhört haben.

Da man nicht alleine den Park besuchen darf, buchen die meisten Besucher eine Fahrzeug Tour. Im Konvoi geht es dann mit einem Guide für 3 Stunden kreuz und quer durch eine wüstenartige Szenerie aus leuchtend gelben Gesteinsschichten vor roten Steilwänden.

Da uns der Auto Konvoi nicht zusagt, entscheiden wir uns für eine geführte Mountainbike Tour. So starten wir am nächsten Tag zu sechst plus Führer unsere Abenteuer Fahrt durch den Park.

Wir befinden uns in einer unwirklichen Einöde, alles ist staubtrocken, nur die heisse Luft schwirrt über dem Velohelm.

Eine kreative Laune der Natur hat hier bizarre Türmchen und überaus farbige Gesteinsschichten entstehen lassen. Immer wieder machen wir eine Pause, legen die Fahrräder auf den Wüstenboden und sind ergriffen von der Schöpfungskraft der Witterung, die über Jahrmillionen aus Wind- und Wassererosion grossartige Landschaften hat entstehen lassen.

 

 

Auf Besuch bei alten Freunden

Carmen und Lino Odermatt, die beiden ausgewanderten Innerschweizer und Namensvetter, haben schon seit langer Zeit der Schweiz den Rücken gekehrt und sind nach Argentinien ausgewandert. Erst haben sie sich in Bariloche direkt am See ein traumhaftes Haus gebaut und 20 Jahre später haben sie alles verkauft und sich in der Nähe von San Luis erneut ein Eigenheim gebaut.

Wir parken für ein paar Tage in ihrem grosszügigen Garten, helfen beim Hausbau mit und haben lange intensive Gespräche beim allabendlichen Assado mit viel Fleisch und argentinischem Wein. Vielen Dank für eure liebe Gastfreundschaft. Das nächste Mal gibt es ein Odermatt Treffen bei uns in der Schweiz.

Nationalpark Quebrada del Condorito

Auf dem Weg nach Cordoba fahren wir zum Nationalpark Quebrada del Condorito, was auf deutsch, die Schlucht des kleinen Codors heisst. Hier wird in einem der letzten Refugien ausserhalb der Anden der Andenkondor geschützt. Etwas ausserhalb des Informationsbüros können wir uns für die Nacht hinstellen, denn für die Wanderung zum berühmten „Balcon Norte“ ist es bereits zu spät. Am nächsten Tag wandern wir über eine karge Hochebene, wo nur der Wind das weiche Pampagras streichelt, zum Aussichtspunkt oberhalb des Canyons.

Da die Schlucht sehr breit ist und die Kondore ihre Nester auf der gegenüberliegenden Seite gebaut haben, sind sie nur von Weitem zu sehen. Trotzdem ist es sehr imposant, wie sie anmutig und ohne vermeintliche Anstrengung ihre Kreise ziehen.

Kondore lassen sich relativ einfach erkennen. Der Körper der mächtigen Vögel wird bis zu 110 cm lang und sie haben eine Flügelspannweite von bis zu 320 cm. Typisch ist die weisse Halskrause, von der sich deutlich der nackte Hals und Kopf abhebt.

Wie findet man eigentlich einen geeigneten Übernachtungsplatz?

Unser heutiger Übernachtungsplatz (siehe Übernachtungsplätze) veranlasst mich, einmal etwas über das Auffinden von Schlafplätzen für uns sowie das Reisemobil zu schreiben.

Wieder einmal fahren wir hunderte von km auf schnurgerader Strasse, weit abseits von menschlicher Behausung. Man sollt meinen, da ist es am einfachsten einen geeigneten Übernachtungsplatz zu finden. Weit gefehlt! Da wo es Tiere gibt, gibt es auch Zäune. So fährt man in Argentinien, was übrigens auch für Chile gilt, stundenlang an Zäunen entlang, ohne Gelegenheit, sich irgendwo abseits in die Büsche zu schlagen. In Patagonien sieht man öfters einen Guanako Kadaver halb verwest am Stacheldraht hängen, meist ein Jungtier, das noch nicht über die Sprungkraft seiner Eltern verfügt. Kein schöner Anblick.

In den Bergen ist es oftmals einfacher einen Stellplatz zu finden, da hier die Zäune nicht so verbreitet sind.

Doch die Übernachtungs-Bibel aller Reisenden ist die App, „iOverlander“. Auf dieser sind die Übernachtungsplätze samt Bildern, Text und Koordinaten eingetragen. Für uns ist die App ebenfalls sehr nützlich, jedoch versuchen wir immer, einen eigenen, nicht so bekannten Schlafplatz zu finden.

Campingplätze sind ebenfalls so eine Sache. Rund um die Städte kommt man nicht um einen Camping herum, nur schon aus Sicherheitsgründen. In einer Grossstadt würden wir uns nie zum schlafen an den Strassenrand stellen oder in einem dunklen Quartier nächtigen. Hier gehen die Meinungen der Reisenden jedoch diametral auseinander. Wichtig ist einfach, dass man auf sein Bauchgefühl hört und sollte sich einer von uns am ausgewählten Standort unwohl fühlen, so fahren wir sofort ohne lange Diskussion weiter.

Campingplätze haben in südamerikanischen Ländern ebenso die Unart, dass sie laut sind. Argentinier und Chilenos lieben spät abendliche Assados und dazu gehört Musik. Nicht einfach ein bisschen Hintergrund Musik, nein, der ganze Platz muss bis morgens um 3 beschallt werden.

All dies sind Gründe, warum wir uns lieber in der freien Natur, abseits von Menschen aufhalten.

Doch zurück zu unserem heutigem Übernachtungsplatz. Wieder einmal fahren wir an nie endenden Zäunen entlang. So beschliessen wir, einfach an einem offenen Tor hineinzufahren und den Farmer zu Fragen, ob wir hier bei ihm auf dem Grundstück übernachten dürfen.

Die anfängliche Skepsis eines zu Beginn etwas misstrauischen Bauers ändert schnell in ein breites Grinsen und uns wird ein Platz hinter dem Silo auf der grünen Wiese zugeteilt. Hände werden geschüttelt, Fragen zu unserer Reise beantwortet und schon bald schlafen wir wie die Engel an einem gut behüteten Platz.

Durch die Kornkammer Argentiniens

Entlang von endlos scheinenden Maisfeldern, grossen Silos, sowie riesigen Mähdreschern, fahren wir durch die reiche Provinz Santa Fe. Von der Provinz Hauptstadt, die ebenfalls Santa Fe heisst, führt ein Tunnel unter dem Fluss „Rio Parana“ zur gegenüberliegenden Stadt Parana. Hier beziehen wir unser Nachtlager und erholen uns etwas vom turbulenten morgen.

Doch der Reihe nach. Gestern fuhren wir zur Laguna Mar Chiquita. Auf die Fläche bezogen ist Mar Chiquita der grösste See Argentiniens. Der Begriff Meer ist etwas irreführend, da Mar Chiquita kein Meer, sondern ein salzhaltiger See und wie das Tote Meer ein Gewässer ohne Verbindung zum Ozean ist. Wir stellen uns also ans Ufer wobei Ufer nicht unbedingt der richtige Ausdruck ist, denn die Uferlinie hat sich durch die Verdunstung weit zurück gezogen. Somit stehen wir weit ab der Zivilisation auf hartem Lehm, da wo vor ein paar Jahren noch Wasser war und betrachten die rosa Flamingos wie sie weit draussen nach Krebsen Ausschau halten. Rund 300’000 dieser langbeinigen Kreaturen leben am kleinen Meer von Cordoba, wie der See auch genannt wird. Es ist eine ruhige Nacht, bis es nach Mitternacht zu regnen beginnt. Am nächsten Morgen hat sich alles rund um uns in eine glitschige Moorlandschaft verwandelt. Im 1. Gang kommen wir keine 2 Meter weit. Nur dank Allrad, Untersetzung und Differenzial Sperre kommen wir mit knapper Not aus diesem Schlamassel. Der durch den Regen aufgeweichte Lehm- Boden ist wie ein Klebstoff, der sich an die Reifen hängt. Lenken ist unmöglich, nur die Spurrillen bilden den Fahrweg. Zwei-dreimal hat es mir fast den Motor abgewürgt, obwohl wir absolut keine Steigung zu bewältigen hatten.

Das war uns eine Leere! Nie wieder werden wir uns auf diese Art von Lehm-Boden stellen, erst recht nicht, wenn die Wetterprognose Regen angesagt hat.

Auf der Ziellinie

Langsam geht unsere Reise auf dem südamerikanischen Kontinent dem Ende entgegen. Wir befinden uns in Concordia, am Westufer des Rio Uruguay. Mitten in einer Grossfamilie von Capybara befindet sich unser Campingplatz. Es sind drollige Tiere, diese zur Familie der Wasserschweine gehörenden Säugetiere, die aussehen wie aufgeblasene Meerschweinchen.

Morgen werden wir die Grenze von Argentinien nach Uruguay überschreiten und in knapp zwei Wochen fliegen wir zurück in die Heimat. Den Suri werden wir in Montevideo abstellen, eine Ruhepause hat er sich redlich verdient und im nächsten Winter werden wir unsere Reise fortsetzen. Den letzten Bericht über Uruguay wird wahrscheinlich erst wenn wir zu Hause sind, ungefähr in zwei Wochen, aufgeschaltet.

Nun wünschen wir euch einen strahlenden Frühlingsanfang und sollte sich die Sonne noch nicht so richtig gezeigt haben, dann bringen wir euch nächstens einen Sack voller Sonnenstrahlen mit.

Eure Reisenomaden

Ruth und Walter