Tierra del Fuego

Mit der Fähre überqueren wir die Magellan Strasse und kurz darauf befinden wir uns auf Feuerland. Vorerst noch auf chilenischem Boden, doch kurz darauf stehen wir erneut an der Grenze zu Argentinien. Dieses Mal geht das Grenz- Prozedere erstaunlich schnell von statten. Im Gegensatz zu Vorgestern, wo wir fast zwei Stunden in einer Warteschlange steckten, nicht zu vergessen, es ist Hochsaison, sind wir jetzt in 30 Minuten erneut in Argentinien. 

Übrigens heisst die Region deshalb Feuerland, weil die Entdecker, die hier per Schiff eintrafen, zunächst keine Bewohner entdecken konnten. Nachts sahen sie jedoch von ihren Schiffen aus, dass zahlreiche Feuerstellen brannten, die von den Ureinwohnern stammten. Und so nannten sie die Gegend Feuerland.

Unsere erste Anlaufstelle auf Feuerland sind die Königspinguine. Diese kennt man  eigentlich nur von den subantarktischen Inseln. Jedoch hat sich vor einigen Jahren eine kleine Kolonie in der „Bahia Inutil“ angesiedelt. Königspinguine sind die zweitgrößte Pinguinart nach dem Kaiserpinguin und die größte in Patagonien lebende Pinguinart. Viel Bewegung ist nicht auszumachen. Eigentlich stehen sie nur da, das Ei zwischen ihren Füssen und warten, bis ihr Partner von der Nahrungssuche zurück kommt. Wenn es soweit ist wird gewechselt. Gleichberechtigung auf Pinguinart!

 

Ushuaia, Hauptstadt der argentinischen Provinz Feuerland

Wie soll man sich das Ende der Welt vorstellen? Eisig, unwirtlich, menschenleer? Die Realität sieht anders aus. 

Wir fahren über den Garibaldi-Pass, dem letzten Ausläufer der Anden und da ist man erstaunt, wenn plötzlich eine so große Ansiedlung an Häusern auftaucht. Am Ortseingang wirkt Ushuaia weder pittoresk noch verträumt: Große Containeransammlungen, Lagerhallen und unzählige LKWs begegnen einem im Industrieviertel, das man auf dem Weg in die Stadt durchqueren muss. So viel Logistik erwartet man nicht am Ende der Welt. Und doch erklärt es sich von selbst, dass der Ort durch seine Abgeschiedenheit und das unwirtliche Klima von der externen Versorgung abhängig ist.

Die Straße führt noch einige Kilometer geradeaus, durch weitere Stadtviertel hindurch, bis wir den Stadtkern erreichen. Ushuaia ist langgestreckt, versteckt sich im schmalen Streifen zwischen den Bergflanken und der Küstenlinie. In Zentrumsnähe zeigt sich schließlich etwas von dem feuerländischen Charme der Stadt. Buntbemalte Holzhäuser säumen die kleinen Straßen. Sie haben stark geneigte Dächer, um die Schneemassen im Winter abzuschütteln, manche sind aus Wellblech.  Ushuaia ist postkartenschön, zumindest auf der Hauptstraße San Martín, wo sich über den Dächern und hinter dem kleinen Kirchturm eindrucksvoll die weiß gesprenkelte Bergwelt Feuerlands erhebt. Hier gibt es ein paar Souvenirläden und Pubs für die Touristen, Restaurants und Reiseanbieter. 

Estancia Harberton

Von Ushuaia fahren wir südöstlich Richtung „Estancia Harberton“. Die Strecke führt durch Nadelwald und raues Bergland entlang des Beagle-Kanals. Wie ein Spalier aus Dämonen stehen links und rechts der Strasse die verkrüppelten Bäume. Ihre gekrümmten Äste mit langen Moosbärten behangen sehen aus, wie in Qualen erstarrte Körper, die auf ahnungslose Opfer ihres Zorns warten.
Man merkt, dass hier der Winter lang ist und über viele Monate eisiger Wind bläst, nach dem sich Baum, Strauch, Gras, Moos und Flechte auszurichten hat.
Die Estancia hat vor einigen Jahren mit der Schafzucht aufgehört und lebt nun vom Tourismus. Auf einer Tour durch die ehemalige Schaffarm erfahren wir interessantes über das Leben in alten Zeiten.

 

In England wurde im Jahr 1844 unter einer Brücke ein Findelkind gefunden. Da auf seinen Kleidern ein T sichtbar war, wurde das Kind Thomas Bridges (Bridge = Brücke) genannt und wurde von einem Missionar-Ehepaar adoptiert.
Im Alter von 40 gelangte er mit der Bitte, Land für sich und seine Familie zu erhalten an den argentinischen Staat und bekam das Grundstück auf Feuerland. Dieses nannte er nach dem Herkunftsort seiner Frau, Harberton (liegt in GB). Danach lies Thomas Bridges in England ein Haus bauen, dies wieder Stück für Stück abbauen, die Teile nummerieren und verschiffte es in seine neue Heimat. Somit ist dieses Gebäude wohl das erste Fertighaus in Südamerika.
Der heutige Besitzer , Thomas Goodall, gehört zur vierten Generation der Bridges und lebt wie seine Vorfahren immer noch auf der Farm.

Sehr sehenswert ist das Wal-Museum, das sogenannt Knochenhaus, das von Natalie Goodall gegründet wurde. Hier arbeiten einige amerikanische- und europäische Biologie-Studentinnen, die uns enthusiastisch durch die Anlage führen. Doch an den strengen Verwesungsgeruch der vielen Skelette müssen wir uns zuerst gewöhnen.

Auf der Estancia fragen wir um Erlaubnis und können kostenlos irgendwo auf dem weitläufigen Gelände direkt am Beagle Kanal übernachten. Hier segelte einst Charles Darwin an Bord der legendären „Beagle“ der Küste entlang, wo sich die Gewässer des Pazifiks und des Südatlantiks treffen. Mit seinen 280 km bildet er die natürliche Grenze zwischen Argentinien und Chile.

Von unserem Übernachtungsplatz beobachten wir die eigentlich nicht heimischen, nordamerikanischen Biber, die ihre genialen Ingenieur-Kenntnisse an kunstvoll aufgestauten Dämmen und Burgen zur Schau stellen. Jeweils gegen Abend lässt sich der Baumeister blicken, schwimmt mit Ästen und Blättern an uns vorbei und bringt das Material in seinen unter der Wasseroberfläche liegenden Bau.

Am zweiten Tag erreicht uns eine Gewitterfront und obwohl wir mit der Nase genau im Wind stehen, greift der Sturm nach unserem Wagen und schüttelt ihn nach allen Seiten. Der Wind, die Naturgewalt Patagoniens, hat uns fest im Griff. Wir kommen uns vor wie in einer Waschmaschine. Dieser orkanartige Westwind, unterhalb des 50. Breitengrades, stürmt hier fast das ganze Jahr. Auch ohne Sonne oder Wind können wir leicht die verschiedenen Himmelsrichtungen bestimmen, denn der permanente Westwindsturm lässt die Bäume nur gegen Osten wachsen.

Auf dem Weg zur Antarktis, dem 7. Kontinent

(Unter diesem Link könnt ihr in den nächsten Tagen einen detailierten Bericht unserer 10 tägigen Reise lesen)

Schon seit Jahren ist es unser Traum, einmal die Antarktis zu besuchen. Die Preise für diese Touren waren uns aber immer viel zu hoch. So haben wir vor ein paar Tagen die Reisebüros in Ushuaia abgeklappert und uns nach „Last Minute“ Angeboten erkundigt. Obwohl wir immer noch Hochsaison haben, sind doch einige sehr interessante Angebote darunter mit mehr als 50% Discount auf den regulären Preis.

Schlussendlich entscheiden wir uns für eine 10’tägige Tour mit der „Ocean Victory“. Dies ist ein zweijähriges Schiff, welches von der Dänischen Agentur Albatros gemanagt wird. Es ist ein ziemlich luxuriöses Schiff mit Pool, Whirlpool und zusätzlich noch mit Stabilisatoren ausgerüstet, das ein zu grosses schaukeln verhindern soll. Unsere Kabine mit Balkon und Minibar ist Top ausgerüstet. Man kommt sich eher auf einem Kreuzfahrtschiff vor als auf einem Eisbrecher. Es fasst 168 Passagiere, sowie 80 Crew und 20 Expeditions- Teilnehmer. Die Reise wird uns durch die „Drake Passage“ führen, wo sich die höchsten Wellen der Welt auftürmen, weiter zu den „South Shetland“ Inseln, bis zur eigentlichen Antarktis.

Es ist eine Reise in eine faszinierende Welt aus Eis und Schnee jenseits des 64° Breitengrades, mit einer unglaublichen Vielfalt an Walen, Pinguinen, Robben, Delphinen und Vögeln.

Eine Welt mit einer gigantischer Vielfalt an Blautönen, Eisberge geschnitzt aus Künstler Hand wo keiner dem andern gleicht. Die Antarktis ist grösser als Europa und für das Weltklima von immenser Bedeutung. Im Antarktischen Winter herrscht während 24 Stunden eine immerwährende Dunkelheit, während es im Sommer, also zu unserer Zeit, 24 Stunden hell bleibt.

Die Antarktis speichert 90% des gesamten Eises auf unserem Planeten. Der grösste Eisberg, der sich je vom Festland gelöst hat, misst eine Länge von 294 km. Das Antarktische Krill, die Leibspeise von vielen Walen und Pinguinen, hat ein Gewicht von 500 Millionen Tonnen, das Doppelte was die Menschheit wiegt. Dabei sind diese kleinen Lebewesen nur 6 cm lang.

All dies sind nur Zahlen, die nur schwer vorstellbar sind, doch den kältesten, trockensten und menschenfeindlichsten Ort auf dieser Erde mit eigenen Augen zu sehen, ist ein unglaubliches Privileg das wir zu schätzen wissen. 

Durch die gefürchtete „Drake“ Passage“

Die ersten 3 Tage fahren wir durch die Drake Passage. Hier wehen normalerweise die heftigsten Winde, die höchsten Wellen, doch wir haben unglaubliches Glück, es ist relativ Windstill, was sehr selten vorkommt. Natürlich habe ich vorsorglich Pillen gegen die Seekrankheit genommen, doch dies wäre nicht nötig gewesen. Dank den Stabilisatoren kommen wir uns vor wie auf einem Raddampfer auf dem Vierwaldstättersee. Die Zeit vergeht mit Drill für den Notfall, da müssen wir alle mit Rettungswesten an Deck erscheinen, Vorträgen von Ornithologen über Wale und Delphine, von Meteorologen über das Weltklima und natürlich stellt sich die ganze Schiffsmannschaft und die Küchen Crew vor.

Eine Kajak Fahrt zwischen den Eisbergen

Wir haben uns schon früh für eine Kajak Tour angemeldet. Heute ist der ideale Tag, nicht zu viel Wind, das wäre das Schlimmste. Als wir mit unseren Trockenanzügen im Zodiac sitzen, die 5 Doppel Kanus im Schlepptau, fängt es leicht zu schneien an. Nichts aussergewöhnliches, wir befinden uns in der Antarktis. Bei der nächsten eisfreien Zone steigen wir mit Hilfe der zwei Guides in die Kajaks um. Es gibt ein kurzes „briefing“ und schon geht’s los. Gemütlich paddeln wir durch eine unwirkliche, weiss-blaue Landschaft voller kleiner und grosser Eisberge. Kleine Eisschollen gleiten hier in der „Cierva Cove“ mit einem lauten Kratzgeräusch unter dem Rumpf entlang. Pinguine springen an uns vorbei und immer wieder versuchen sie einen kleinen Eisberg zu erklimmen. Es wir tunlichst darauf geachtet, dass man einen gebührenden Abstand zu den vorbei driftenden Eisbergen hat. Man sieht nur die obersten 20%. Die restlichen 80% verbergen sich unter der Wasseroberfläche. Wenn sich so ein Koloss dreht, was immer wieder vor kommt, steht das Kajak ebenfalls kopfüber. Beim zurück paddeln sehen wir noch die gewaltige Rückenflosse eines Humpback Wales. Es war ein unvergessliches Erlebnis. „Once in a lifetime“.

Zum ersten Mal auf antarktischem Festland

Die Vorhersage für den heutigen Tag war windstill und trocken, doch schon beim Frühstück schneit es in dicken Flocken. Kein Grund um auf den kommenden Landgang zu verzichten. Das Zodiac bringt uns zum 1. Mal auf der Reise zum antarktischen Festland, zum sogenannten „Portal Point“. Etliche Gangtoo Pinguine und „Antarctic Fur Seals“ bevölkern den Strandabschnitt.

Am Nachmittag fahren wir mit dem Zodiac entlang von gewaltigen Gletscherabbrüchen. Smaragd-blau leuchten die tiefen Gletscherspalten, das Tausende von Jahr alte Eis knackt und plötzlich löst sich unter lautem Getöse eine überhängende Gletscherzunge. Es ist eine unwirkliche, geheimnisvolle, in einem immer weissen Kleid gehüllte Welt.

Dass es nicht immer so war, zeigt das verrostete Frack eines Walfangschiffs. Ausgebrannt liegt der verrostete Stahlkoloss seit über 100 Jahren hier auf Grund.

Camping im ewigen Eis

30 Passagiere haben sich für eine Camping Nacht auf einer riesigen, eisbedeckten Insel im Polarmeer angemeldet. Die Guides checken vorerst die Situation auf der Insel. Alles muss stimmen. Nicht zu viel Wind, ein sicherer Lagerplatz, keine Lawinengefahr. Kälte und Schneefall gehören natürlich dazu. Eigentlich ist es eher ein biwakieren, denn jeder Teilnehmer muss erst ein Loch graben. Das ganze sieht aus wie ein Sarg und darin wird der Biwacksack ausgebreitet. Essen und trinken ist strengstens untersagt, man will auf jeden Fall nichts kontaminieren. Wir als Dauercamper haben uns natürlich nicht angemeldet, wobei der Spass noch 350 US$ kostet, doch Dagmar, unsere Tischnachbarin freut sich schon lange auf diesen Spass. Um 22:00 Uhr wird entschieden, ob das Camping stattfindet.

Zum bedauern von vielen müssen die Verantwortlichen die Durchführung abblasen. Der Wind treibt die Eisschollen direkt vor den einzigen Zodiac Landungsplatz.

Das Bringen der Eis-Camper wäre noch möglich gewesen, doch am nächsten Tag wäre das Zurückholen unmöglich geworden.

Böse Zungen behaupten, es ginge nicht um die Camper viel mehr um die angeheuften, unbezahlten Alkohol-Rechnungen!

Ein unvergesslicher Abend

Dieser Abend ist der Hammer! Wir stehen einsam in einer Bucht voller Eisberge. Nach einem eher trüben Tag machen die Wolken langsam der Sonne Platz. Die eisbedeckten Gipfel schimmern im Abendrot und das Spiegelbild glitzert im ruhigen Polarmeer. Nur das Klicken der vielen Kameras und das begeisterte Aaahh und Ooohh der Passagiere ist zu hören. Niemand scheint Lust auf ein Bett zu haben, alle wollen das Spektakel so lange als möglich auskosten. Ein unvergesslicher Tag geht langsam, sehr langsam dem Ende entgegen.

Ein Sprung ins Eismeer

Am späten Nachmittag findet der Polar Sprung statt. 50 mutige, oder wie die meisten sagen verrückte Typen werden in das eiskalte Polarmeer springen. Ehrensache, dass ich mich auch dazu angemeldet habe. In einer Kolonne stehen die crazy Frauen und Männer vor der Hecköffnung das normalerweise für den Einstieg in die Zodiacs genutzt wird. Jeder wird vor dem Sprung an die Leine genommen damit auch alle wieder auftauchen. Schreiend springt einer nach dem andern vom Schiff. Natürlich, es ist eiskalt, aber da das Ganze nur wenige Sekunden dauert ist es gut auszuhalten. Das zur Belohnung entgegen gestreckte Glas Whisky wird sofort geleert. Vom Zodiac aus wird jeder Teilnehmer gefilmt und bekommt Haltungs-Noten verteilt. Gewiss, ein Erlebnis der besonderen Art.

Am Abend gibt es besorgniserregende News. Nach den vergangenen, eher windstillen Tagen soll ab Morgen Mittag ein Sturm aufziehen mit Wellen von über 8 Metern. Wir sollen uns auf turbulente Tage einstellen und vorsorglich ein paar Tabletten gegen Seekrankheit schlucken. Das kann ja heiter werden.

Die Rückfahrt im Sturm

Am Morgen, bevor die 3’tägige Rückfahrt beginnt, begeben wir uns zu den Zodiacs und machen bei leichtem Schneefall eine letzte Erkundungstour auf der von unzähligen Eisschollen bedeckten Bucht. Es ist die Ruhe vor dem Sturm. Wer denkt, so eine Fahrt sei langweilig, der wird eines besseren belehrt. Kein Eisberg ist wie der andere. Jeder ist ein Unikat geschnitzt aus Wind und Wellen, ein Kunstwerk von Mutter Natur. Wir befinden uns in einer unendlichen Weite aus Weiss- und Blautönen, wobei das Blau nochmals in unerschöpflichen Nuancen auftritt. Wenn die Sonne in eine Eishöhle scheint widerspiegelt sich das Smaragd-blau an seinen weissen Aussenwänden. Sind dann noch die Pinguine direkt davor, so ist das Gemälde perfekt.

Langsam frischt der Wind auf und die Dünung wird stärker. Zeit, um mich für die nächsten 48 Stunden in die Kabine zurück zu ziehen. Meine einzige Bewegung für die nächste Zeit ist die vom Bett zur Toilette. Die kleinen Häppchen, die mir Ruth jeweils vom Morgen- Mittag- und Abendessen mitbringt, kann ich nicht anrühren. Das einzige, was ich zu mir nehme, ist ein Dessert in Pillenform das leider bei diesem Seegang, die 8 Meter Wellen spritzen teilweise bis zu unserer Kabine im 6. Stock hoch, nichts nützen. Wie mir Ruth berichtet, ist der Speisesaal halb leer. Bleiche Gesichter kommen und gehen.

Zwei Tage später haben wir das Schlimmst überwunden und wir befinden uns im Beagle Kanal. Gemächlich tuckern wir die restlichen 8 Stunden in ruhigen Gewässern bis zu unserem Endziel Ushuaia.

Es war eine aussergewöhnliche Reise mit Tieren, Eis und Schnee die wir in dieser Dimension noch nie gesehen haben und wahrscheinlich auch nie mehr sehen werden. Wir können jetzt schon sagen, dies war der absolute Höhepunkt auf unserer Reise in Südamerika.