Antarktis
ein Tagebuch unserer fantastischen Reise zum 7. Kontinent
22. Januar 2023, Ushuaia
Erst vor 4 Tagen haben wir in einem der vielen Reisebüros in Ushuaia unsere Reise zum 7. Kontinent gebucht. Erstaunt nahmen wir zur Kenntnis, dass trotz Hochsaison noch etliche Angebote zum „last Minute“ Preis erhältlich waren. Wir konnten wählen zwischen einem 40 Jahre alten Forschungsschiff, relativ günstig oder unsere Reise auf einem neuen, erst zwei Jahre alten Luxusschiff anzutreten. Wir entschieden uns für das Letztere und nun checken wir zusammen mit 168 andern Passagieren auf der „Ocean Victory ein. Zusätzlich zu den Passagieren fasst das Schiff, das mit Pool, Whirlpool, sowie mit Stabilisatoren ausgestattet ist, noch 80 Crew- und 20 Expeditionsmitglieder. Die Stabilisatoren sind sicherlich mit ein Grund, dass wir auf der Ozean Victory, das zu dänischen Albatros Gruppe gehört, gebucht haben.
Unsere Kabine mit eigenem Balkon, Dusche und Toilette, ist Top ausgestattet. Alles wirkt wie neu und ist in einem einwandfreien Zustand.
Bevor das Schiff ausläuft, ist schon das erste „Briefing“ angesagt. Es geht um allgemeine Sicherheits-Standards, das Expeditions-Team, die Küchenmannschaft, sowie die übrigen Crew-Mitglieder stellen sich vor. Mit einem Cüpli wird auf eine grossartige Reise angestossen.
Als nächstes müssen alle zurück in ihre Kabinen und auf das Notfallsignal warten. Danach versammelt sich der ganze Pulk erneut im Aufenthaltsraum mit der persönlichen Schwimmweste. Es wird erklärt, mit Wort und Bild, damit es auch der Letzte versteht, wie man sie anzuziehen hat und was man bei einem Notfall zu tun hat. Anschliessend geht es im Gänsemarsch zum zugeteilten Rettungsboot.
Natürlich hofft hier jeder an Bord, dass dieser Notfall nie eintreffen wird, doch wir werden nächstens eines der gefährlichsten Gewässer der Erde befahren.
Titanic lässt grüssen.
23. Januar 2023, Drake Passage
Morgens zwischen 7 und 9 Uhr ist jeweils Frühstückszeit. Am Selbstbedienungs-Buffet wird ein üppiges Angebot an leckeren Speisen angeboten. Ein Koch nimmt die Bestellung der individuellen Omelette entgegen, der Lachs sieht appetitlich aus und die Früchten zum Müesli lachen einen einladend an.
Natürlich, es ist mehr auf den Englischen Touristen ausgelegt mit Würstchen, Speck und Rösti-Kroketten.
Auf 9 Uhr ist das Zodiac Briefing angesetzt. Alle Passagiere werden in 4 Farben eingeteilt, das heisst, es gibt 4 verschiedene Gruppen. Der Grund, es dürfen nicht mehr als 100 Personen, das Höchstmass die auf einmal an Land sein dürfen. Genau wird erklärt, wie man in ein Zodiac steigt, wie man die Kleider und Schuhe bei jedem Landgang zu desinfizieren hat und wie man die Gummistiefel und die persönliche Schwimmweste im Schrank des „Mud Rooms“ zu verstauen hat.
Nach dem Mittagessen steht das nächste Briefing an, vor allem für diejenigen, die Interesse an einer Kajaktour bezeugen. Da sind wir natürlich mit von der Partie. Ausführlich wird uns von Natalie erläutert, was einem bei einer Kajakfahrt im Polarmeer zu erwarten hat, dass z.b. nur etwa 20% des Eisbergs über der Wasseroberfläche ist und 80% darunter. Jederzeit können sich solche Koloss drehen und darum ist es wichtig, immer genügend Abstand zu bewahren. Das Ganze tönt spannen und so schreiben wir uns erstmals ein.
Anschliessend führt uns Sandra in die Geheimnisse der Photographie ein danach erklärt uns Jens, der Ornithologe an Bord, die verschiedenen Seevögel auf der Drake Passage.
Die meisten der 166 Passagiere können an den angebotenen Vorträgen teilnehmen, denn der Seegang mit höchstens 3 Meter hohen Wellen beschert uns eine gemütliche Überfahrt.
Noch letzte Woche, bei einem Wellengang von 6 Metern, lagen die meisten der Passagiere flach.
Nach dem Abendessen gibt es noch eine „Talk Runde“, wo die Tour Guides uns einen Einblick aus ihrem Leben geben.
24. Januar 2023, Drake Passage S 61°33’40“ W 60°31’61“
Heute ist Entstaubungstag
Wie immer findet für alle Frühaufsteher vor dem Frühstück, so um 6 Uhr, die „Early bird“ Runde in der Shakelton Lounge statt. Das ist uns dann schon ein bisschen zu früh, denn der Tag ist noch lang.
Nach dem Frühstück werden alle Gäste gestaffelt nach Kabinendeck aufgefordert, mit sämtlichem Material das Aussen getragen wird, wie Hose, Mütze oder Rucksack, sich in den Aufenthaltsraum zu begeben um alles gründlich zu reinigen und zu staubsaugen. Das sind die neuen Richtlinien der IAATO, der International Association of Antarctica Tour Operators. Dies zum Zweck, dass der 7. Kontinent weiterhin von jeglichen Seuchen wie der Vogelgrippe verschont wird. Anschliessend an die Grossreinigung bekommt jeder Passgier eine persönliche Parka, ein Geschenk der Albatros Gruppe. Danach werden die Gummistiefel anprobiert, die ebenfalls für den Rest der Reise zusammen mit der Schwimmweste im persönlichen Fach im „Mud Room“ verstaut werden.
Übrigens, wir befinden uns auch am 3. Tag noch in der Drake Passage, nordwestlich von King George Island und immer noch ist es relativ windstill. Sehr aussergewöhnlich für dieses Gebiet.
Pinguin day
Dank des guten Wetters sind wir gut vorwärts gekommen. Wir befinden uns zwischen Livingston und Robert Island. Hunderte, wenn nicht Tausende von Adélie- und Chinstrap Pinguine verfolgen die Ocean Victory. Schwimmen in einem horrenden Tempo neben dem Schiff, tauchen unter und kommen auf der anderen Seite des Rumpfes wieder zum Vorschein.
Plötzlich gibt der Kapitän über Lautsprecher durch, dass wir schon heute den ersten Landgang machen. Gruppe grün soll sich bereit stellen. Wir sind in Gruppen rot eingeteilt und so warten wir noch ein wenig bis wir aufgerufen werden. Eine halbe Stunde später ist es so weit. „Gruppe rot in den Mud Room“, tönt es über den Lautsprecher und kurz darauf stehen wir vor den Zodiacs.
10 Personen fasst so ein Schlauchboot, das mit verschiedenen Luftkammern ausgestattet ist. Sollte es von einem Eisberg aufgeschlitzt werden, stehen immer noch genügend Kammern zur Verfügung um ein Sinken zu verhindern. Genau, das Selbe hörte ich zum letzten mal beim Film „Titanic“ und was danach geschah wissen wahrscheinlich alle.
Noch bevor man den Mud Room betritt, muss sich jeder mit der persönlichen Karte mit Hilfe des Strichcodes anmelden und wenn man den Raum nach der Tour verlässt, erneut abmelden. Das macht es schwierig, sich unauffällig abzusetzen, um bei den Pinguinen Asyl zu beantragen.
10 Personen und der Fahrer fasst das Boot. Nach einem vorher geübten Prozedere steigen alle vorsichtig über die Bordkante und nehmen ihren Platz ein. Nichts wird dem Zufall überlassen, alles geht strikt nach Plan.
Beim ersten Landgang können wir vor allem Adélie-, Chinstrop- und Gentoo Pinguine beobachten. Es ist ein Riesen Unterschied, erst noch flitzten sie durch das Polarmeer und nun tapsen sie drollig über die steinige Insel. Der penetrante Geruch ihres Kots ist allgegenwärtig.
25. Januar 2023
Eine Kajak-fahrt im Polarmeer
Heute ist eigentlich eine Zodiac Fahrt angesagt, doch schon früh hören wir über den Lautsprecher: „An alle Kajak Fahrer. Gruppe 1 (wir sind Gruppe 1) bitte begeben sie sich zum Mud Room.“
Wir sind etwas überrascht, sind wir doch bereits angezogen für die Schlauchboot-Tour. Doch eben, man muss flexibel sein auf solch einer Fahrt. Die Wetterkonditionen können sich von einer Minute auf die andere komplett ändern. Es herrscht fast Windstille und dies muss man ausnützen.
Wir ziehen uns anders an, begeben uns zum Mud Room, wo wir den Trockenanzug sowie die Neopren Füsslinge überstreifen. Insgesamt sind wir 5 Doppel-Kajaks, 10 Leute und zwei Guides ein einem einer Kajak. Erstmals fahren wir mit den Zodiacs aufs offene Meer, die Kajaks im Schlepptau und suchen uns eine eisfreie Fläche um mit Hilfe der Guides in die Kajaks zu steigen. Das iPhone habe ich mir ein einem wasserdichten Beutel um den Hals gehängt.
Sind alle in den Kajaks, die Paddel bereit, gibt es ein kurzes briefing und los geht’s. Leider ist die Sicht etwas diesig und es regnet leicht. Doch zum Glück ist es beinahe windstill. So paddeln wir gemächlich durch eine unwirklich, weiss/blaue Landschaft voller kleiner und grosser Eisberge in der „Cierva Cove“. Kleine Eisschollen gleiten mit einem lauten Kratzgeräusch unter dem Rumpf des Kajaks entlang. Pinguine beäugen uns neugierig, springen über kleinere Eisflächen und versuchen einen steilen Eisberg zu erklimmen, wo sie immer wieder abrutschen. Sowieso muss man einen gebührenden Abstand zu den Eiskolossen haben. Wenn sich dieser abrupt dreht, ist das Kajak ebenfalls kopfüber. Dann wäre eine Eskimorolle angebracht, natürlich nur für diejenigen die das beherrschen. Wir gehören definitiv nicht dazu..
Die 1 1/2 Stunden gehen wie im Flug vorbei. Es war ein unvergesslichens Erlebnis, eben, „once in a lifetime“.
Gerade als wir mit dem Zodiac zurück zum Schiff kommen, sehen wir die gewaltige Schwanzflosse eines Hunpback Wales. Was für ein Abschluss!
Am Nachmittag ist eine „wet landing“ auf „Mikkelson Harbour“ vorgesehen. Unsere rote Gruppe gehört zu den ersten die mit dem Zodiac vom Mutter-Schiff losfahren um die Insel zu erkunden. Diese beheimatet vornehmlich ein grosse Gentoo Pinguin Kolonie, eine alte Forschungsstation und sehr viele Knochen von Blauwalen, die von dem unvorstellbaren Gemetzel im vorigen Jahrhundert herrühren. Ein Zeitzeuge, auf die die Menschheit nicht besonders stolz sein kann.
Auf der anschliessenden Zodiac Fahrt erspähen wir einen einsam auf einer Eisscholle liegenden „Leopard seal“. Im Moment scheint er keinen Hunger zu haben, denn seine Lieblingsspeise, der Pinguin, schwimmt gemütlich durch das kalte Wasser dicht an der Scholle vorbei.
Vor dem Nachtessen treffen wir uns jeweils in der Shackleton Lounge, lassen den Tag Revue passieren und die Teamleiterin informiert über den nächsten Tag, dessen Programm natürlich immer Wetterabhängig ist.
Nach dem Abendessen begeben wir uns aufs Oberdeck, schauen über die glitzernde Wasseroberfläche und Ruth sichtet doch tatsächlich einen weiteren Humpback Wal. Die untergehende Sonne bescheint die vorbei-driftenden Eisberg in einem wundervollen Kristallblau. Es ist 10:30 Uhr, Zeit um sich in die Kabine zurück zu ziehen, denn so richtig Dunkel wird es um diese Jahreszeit sowieso nie.
26. Januar 2023
Eine grandiose Gletscherwelt
Die Vorhersage für den heutigen Tag waren windstill und trocken, doch schon beim Frühstück schneit es in dicken Flocken. Kein Grund, um auf den kommenden Landgang zu verzichten. Das Zodiac bringt uns zum ersten Mal auf der Reise auf antarktisches Festland, zum sogenannten „Portal Point“.Auf der Antaktik wurde 1983, bei der „Vorstock Station“ mit -89,2° Celsius die kälteste Temperatur der Erde gemessen. Da haben wir es heute bei -2° so richtig mollig warm.
Anschliessend zum Landgang gibt es erneut eine Zodiac Fahrt, immer noch im dichten Schneegestöber. Die ganze Bucht wird nach Walen abgesucht, doch bei dem Wetter kommen sie gar nicht erst an die Oberfläche.
So erzählt uns der Guide, dass vor einem Monat, im letzten Dezember das Wetter sehr schlecht gewesen sei. Ein Sturm mit 10 Meter hohen Wellen hat bei einem ähnlichen Schiff wie dem unseren die Scheiben eingeschlagen und eine Person kam dabei uns leben. Infolge des gewaltigen Orkans gab es auf andern Schiffen ebenfalls Verletzte, doch auf unserem, der Ocean Victory, wurde ausser der Kaffeemaschine und etwas Geschirr, das der Sturm zu Boden warf, nichts beschädigt.
Nach dem Mittagessen fahren wir in eine andere Bucht und machen in einer grandiosen Gletscherwelt rund um „Enterprise Island“ eine weitere Zodiac Tour. Entlang von gewaltigen Gletscherabbrüchen, dunkelblau leuchten die Gletscherspalten die auf Meer hinaus zeigen, knackt das tausende von Jahren alte Eis wie unsere in die Jahre gekommen Knochen. Plötzlich löst sich unter lautem Getöse eine überhängende Gletscherzunge und fällt krachend ins Eismeer, wo schon Dutzende von Eisschollen treiben.
Es ist eine unwirkliche, geheimnisvolle, in einem immer weissen Kleid gehüllte Welt.
Dass es nicht immer so war, zeigt das verrostete Walfangschiff. Ausgebrannt liegt der Stahlkoloss seit über 100 Jahren hier auf Grund.
Am Nachmittag machen wir vom Zodiac keine weiteren Walsichtungen, doch vom Mutter-Schiff aus konnten wir vorher eine Hupback Wal Familie beobachten, wie sie immer wieder eine Wasserfontaine ausstossend an uns vorüber zog.
Eis-Camping
Nach dem Abendessen fahren ein paar Scouts mit dem Zodiac zur nahen Insel um die Lage auszuloten. Der Grund, heute ist der Camping Abend. 30 der Gäste haben sich für eine Camping Nacht angemeldet. Da müssen natürlich die äusseren Bedingungen stimmen. Nicht zu viel Wind, ein sicherer Lagerplatz und keine Lawinengefahr. Kälte und Schnee gehören natürlich dazu. Eigentlich ist es kein Camping im herkömmlichen Sinn, eher ein biwakieren. Jeder Teilnehmer muss ein Loch graben, sieht eher wie ein Sarg aus und darin wird der Schlafsack ausgebreitet. Essen und Trinken darf nichts mitgenommen werden. Wir als Dauercamper haben uns natürlich nicht angemeldet, wobei der Spass noch 350 US$ pro Person zusätzlich kostet.
Doch Dagmar, unsere Tischnachbarin, freut sich schon lange auf diese Nacht. Um 22:30 Uhr wird entschieden, ob es durchgeführt wird. Wir werden es morgen erfahren.
Ein Hammer Abend
Dieser Abend ist der Wahnsinn. Wir stehen einsam in einer Bucht voller Eisberge. Nach einem eher trüben Tag machen die Wolken langsam der Sonne Platz. . Die eisbedeckten Gipfel schimmern im Abendrot und das Spiegelbild glitzert im ruhigen Polarmeer. Nur das Klicken der vielen Kameras und die begeisterten Aaahh und Ooohhs in vielen verschiedenen Sprachen ist zu hören.
Ein unvergesslicher Tag geht langsam, sehr langsam dem Ende entgegen.
27. Januar 2023
Eine Eisscholle voller Pinguine
Beim Frühstück am nächsten Tag erzählt uns Dagmar, dass das Camping leider gestrichen wurde. Der einzige Zugang zur Camping Insel wurde durch das Packeis, das die Strömung immer mehr in die Bucht trieb, langsam verschlossen. Das Problem dabei ist, dass bei der Bergung am nächsten Tag die Camper eventuell nicht mehr geholt werden können. Die Gelegenheit zum Eis-Camping gibt’s nur einmal auf der Tour. Schade für all diejenigen, die sich so darauf gefreut haben.
Heute haben wir fast windstill und die Sonne blinzelt von einem leicht blauen Himmel. Die Morgenstunden verwandeln die weisse Scenery in eine Märchenlandschaft. Mit den Zociacs cruisen wir im Paradies Harbour zwischen den Eisbergen hindurch. Jeder ist einzigartig wie von ausserirdischen Künstlern gemeisselt. Pinguine tummeln sich auf den Schollen, beäugen uns neugierig oder planschen im Wasser. Wettermässig ist das eindeutig der beste Tag.
Das südlichste Postamt der Welt
Am Nachmittag steht der Besuch von „Port Lockroy“ auf dem Programm. Eine alte englische Forschungsstation. Ihr angegliedert ist ein Museum, ein kleiner Shop sowie das alte Postamt. Auf dieser vorgelagerten Insel gibt es über 1000 Pinguine. Es ist hoch interessant die alten Räumlichkeiten zu besuchen und sich vorzustellen wie die Wissenschaftler vor fast 100 Jahren unter einfachsten Verhältnissen gelebt haben. Ruth stempelt die Postkarten ab und wirft sie in den Briefkasten des südlichsten Postamtes der Welt, wo sie ihre lange Heimreise antreten. Einmal in der Woche legt das Post- und Versorgungsschiff zu den Falkland-Inseln ab, danach werden die Ansichtskarten nach England verschickt und erst jetzt findet die Feinverteilung statt.
Der Polar-Sprung
Am späten Nachmittag findet das Polarschwimmen statt. 50 mutige, oder wie die meisten hinter vorgehaltener Hand sagen, verrückte Typen werden in das eiskalte Polarmeer springen.
Ehrensache, dass ich mich ebenfalls dazu angemeldet haben. In einer Kolonne stehen die crazy Frauen und Männer vor der Hecköffnung, da wo normalerweise die Ausschiffung der Zodiaca stattfindet. Jeder wird vor dem Sprung an die lange Leine genommen, damit sie auch wieder auftauchen. Eher wahrscheinlicher ist die Version, sie werden an die Leine genommen, damit auch alle ihre aufgelaufenen Getränkerechnungen bezahlen.
Schreiend springt einer nach dem andern von Bord. Natürlich, es ist eiskalt, aber da das ganze nur wenige Sekunden dauert ist es gut auszuhalten. Das anschliessende Glas Whisky, das von der Crew überreicht wird, wärmt uns alle umso schneller auf.
Auf jeden Fall ein Erlebnis der besonderen Art.
Nach dem Abendessen findet das allabendliche „briefing“ statt. Da gibt es schlechte Neuigkeiten. Nach den vergangenen, eher windstillen Tagen, wird ab Morgen Mittag ein Sturm aufziehen mit Wellen von über 8 Metern! Wir sollen uns auf turbulente Tage einstellen und vorher ein paar Pillen gegen Seekrankheit schlucken. Das kann ja heiter werden.
27. Januar 2023
Ein Sturm ist in Anmarsch
Am Samstagmorgen ist es in der „Fournier bay“, wohin wir über Nacht gefahren sind, noch immer ruhig. Bei leichtem Schneefall und Temperaturen von -2° Celsius machen wir uns bereit für die Erkundungsfahrt auf der von unzähigen Eisschollen bedeckten Bucht. Es ist die Ruhe vor dem Sturm. Wer denkt, so eine Fahrt wird mit der Zeit langweilig, der wird eines besseren belehrt. Kein Eisberg ist wie der andere, Jeder ist ein Einzelstück geschnitzt aus Wind und Wellen. Ein Kunststück von Mutter Natur.
Wir befinden uns in einer unendlichen Weite aus Weiss- und Blautönen, wobei das letztere nochmals in unzähligen Varianten auftritt. Wenn die Sonnen in eine Eishöhle scheint widerspiegelt sich das Smaragd-blau an seinen weissen Aussenwände. Sind dann noch Pinguine direkt davor, so ist das Gemälde perfekt.
Langsam frischt der Wind auf, die Dünung wird stärker. Zeit, um mit dem Zodiac zurück zum Schiff zu fahren. Vorbeiziehende Humpback Wale winken uns mit ihren Flossen einen letzten Abschiedsgruss zu.
So wie ich mich kenne, ist das folgende Mittagessen wahrscheinlich das letzte für die nächste Zeit. Ich ziehe mich für die nächsten 48 Stunden in die Kabine zurück, wo meine einzige Bewegung die vom Bett zur Toilette ist.
Jedes noch so kleine Häppchen, das mir Ruth vom Abend-, Mittag- oder Morgenessen mitbringt kann ich nicht anrühren. Das einzige was ich zu mir nehme ist ein Dessert in Pillenform das bei diesem Seegang, die 8 m Wellen spritzen bis zu unserer Kabine im 6. Stock hoch, leider nichts nützen.
Wie mir Ruth berichtet, ist auch der Speisesaal halb leer. Bleiche Gesichter kommen und gehen.
Auf der zwei-tägigen Drake Passage gibt es immer wieder Vorträge von unseren Ornithologen, Geologen, Glaziologen und Klimatologen im grossen Aufenthaltsraum. Fühlt man sich nicht gut genug oder man ist noch wacklig auf den Beinen, kann man sich den Vortrag auch gemütlich über den Flatscreen in der eigenen Kabine anschauen. Natürlich, das alles hat seinen Preis, aber für eine eigene Kabine mit eigenem Bad bin ich bei diesem stürmischen Wetter schon sehr dankbar.
30. Januar 2023
Auf der Brücke
Es ist der zweitletzte Tag. Noch immer befinden wir uns in der Drake Passage, doch die Wellen sind auf erträgliche 4 Meter zurück gegangen. Ich kann zum ersten Mal seit 2 Tagen wieder am sozialen Leben teilnehmen.
Mit der Zeit haben sich Grüppchen meist in Landessprachen gebildet. So sitzen auch wir meistens mit Dagmar, Norbert und Markus, sowie mit Petra und Hans zusammen. Sprache verbindet.
Heute steht noch die Besichtigung der Brücke auf dem Programm. Im Gegensatz zu mir, ich bewege mich immer noch wie ein Pinguin an Land, nimmt Ruth daran teil.
Es ist beeindruckend, die vielen Bildschirme, die blinkenden Lämpche, einfach die ganzen Sicherheits-Standards dieses luxuriösen Eisbrechers zu bestaunen.
Am Nachmittag findet erneut ein Vortrag statt, „vom Regenwald zum ewigen Eis“, vorgetragen vom sehr kompetenten Dr. Thomas Bauer aus Australien.
In einer Stunde sollte das Nordkap in Sichtweite sein, doch das diesige Wetter verhindert eine Sichtung.
31. Januar 2023
Ein tierischer Rückblick
Am letzten Tag befinden wir uns erneut im Beagle Kanal. Gemächlich tuckern wir die restlichen 8 Stunden in ruhigen Gewässern bis zu unserem Endziel Ushuaia.
Vorab gesagt, die riesigen Pinguin Kolonien mit 10’000’senden von Kaiser- und Königspinguinen haben wir nicht gesehen. Die sind mehr auf den Falkland Inseln sowie auf Sout George anzutreffen.
Doch was wir auf unserer 10’tägigen Tour gesehen haben ist trotzdem unglaublich.
Wale: Minke Whale, Humpback Whale
Seals: Weddel Seal, Crabeater Seal, Leopard Seal
Dolphin: Commerson Dolphin
Penguin: Adélie Penguin, Chinstrap Penguin, Gentoo Penguin, (King und Magellan auf dem Festland gesichtet)
Birds: Antarctic Tern, Antarctic Fulmar, Blue-eyed Cormoran, Wandering Albatross (Flügelspannweite von bis zu 330 cm), Antarctic Petrol, Snow Petrol, Cape Petrol, Southern Giant Petrol
Es war eine aussergewöhnliche Reise mit Tieren, Eis und Schnee die wir in dieser Dimension und Farbenpracht noch nie gesehen und wahrscheinlich auch nie mehr sehen werden. Eine Natur, die uns Menschen klein und demütig werden lässt. Wir können jetzt schon sagen, dies war der absolute Höhepunkt auf unserer Reise in Südamerika.