Am 15. November fahren wir von Uruguay zum brasilianischen Zoll. Chui ist ein relativer kleiner Grenzort und so findet auch die Abfertigung in ungezwungener Atmosphäre statt. Zügig erhalten wir unsere Einreisepapiere für die nächsten 3 Monate und lassen beim nächsten Bancomaten ein paar brasilianische Reals raus, zum Kurs von 5 Real pro 1 US Dollar.

Erst tuckern wir zwischen Lagunen und dem Meer entlang Richtung Porto Alegre, bevor wir ins Landesinnere abbiegen nach Santa Maria. Hier wird vor allem Landwirtschaft  betrieben. Riesige Getreide Silos begleiten uns auf dem Weg in den Norden. Vorwiegend wird Weizen, Soja und Mais angebaut.

Mitten auf unserer Strecke mit Dutzenden von LKW’s sehen wir plötzlich eine kleine Schildkröte, welche die Haupstrasse als gemütlichen Sonntags-Spaziergang ausgesucht hat. Sofort halte ich unseren Suri auf dem Pannenstreifen und Ruth springt zurück zum kleinen Reptil, wo sie ihr eine unerwartete Hilfe anbietet. Wahrscheinlich hätte ihr die Grünphase bei der nächsten Ampel für die Überquerung sowieso nicht ausgereicht.

Behutsam hebt Ruth sie auf und legt sie auf die anderen Seite der Strasse ins dichte Unterholz, wo sie nach einem dankbaren Kopfnicken weiter ihres Weges geht.

Im Städtchen Panambi suchen wir uns einen Übernachtungsplatz. Fündig werden wir mitten in der Stadt beim öffentlichen Park des Museums. Der nette Parkwächter stellt extra für uns die Absperrkegel auf die Seite und weist uns im autofreien Park einen Stellplatz an. Viele Einheimische geniessen hier die Ruhe und die frische Luft mitten in der Grossstadt. Junge Familien stossen stolz ihren Kinderwagen vor sich her, andere joggen mit dem Handy in der Hand und die Kleinen springen dem Fussball hinterher, wie es sich für angehende Ronaldos und Neymars gehört.

Panambi bedeutet eigentlich „Tal der Schmetterlinge“ und ist wegen ihrer Metallindustrie bekannt. Früher hiess die Stadt „Neu Württemberg“. Sie musste aber ihren deutschen Namen nach dem 2. Weltkrieg in Panambi unbenennen.

Dies erfahren wir, als uns ein Einheimischer mit deutschen Wurzeln anspricht. Flavio besitzt ein wunderschönes, historisches Restaurant, das in einer alten Getreide-Mühle von 1903 beheimatet ist. Da es heute geschlossen ist, holen wir für uns alle eine Pizza vom Take-away in der Stadt und essen sie gemütlich im geschlossenen Restaurant, während wir in den Genuss einer Ballett Vorführung seiner zwei Kinder kommen.

Es wird ein lustiger Abend, wo wir allerlei interessantes aus dem brasilianischen Alltag vernehmen.

Die Iguacu Fälle, ein Spektakel der Superlative

Vor 12 Jahren durften wir die Wasserfälle schon einmal besuchen, doch erneut davor zu stehen wird gewiss ein unvergessliches Highlight auf dieser Reise bleiben. Wir Schweizer sind bezüglich Wasserfällen schon etwas verwöhnt aber dennoch, diese Fälle gehören zu den imposantesten Naturspektakeln was der südamerikanische Kontinent zu bieten hat.

Dieser tosende, ohrenbetäubende Klang der hinabstürzenden Wassermassen, wenn man gleichzeitig die Gischt ins Gesicht geschleudert bekommt und nass bis auf die Haut wird, dann spricht man von einem Naturspektakel das man mit Haut und Haaren erlebt.

Doch von Anfang an. Wir parkieren unseren Suri auf dem Parkplatz der brasilianischen Seite des Dreiländerecks Argentinien, Paraguay und Brasilien rund 20 km südlich der Stadt Foz do Iguacu.

Von hier aus bringt der Bus die Touristen weitere 10 km bis zum rosafarbenen Hotel Belmond, welches sich direkt bei den Cataratas befindet. Auf dem Panoramaweg erblicken wir immer wieder eine neue Sicht von den bis zu 270 verschiedenen Wasserfällen, verteilt auf einer Länge von 2,7 Kilometern und einer maximalen Höhe von 82 Metern. Je näher wir dem eigentlichen Epizentrum kommen, desto lauter wird das Tosen des Wassers.

Die Iguacu Wasserfälle führen 16x mehr Wasser als üblich

Diese und andere Schlagzeilen lasen wir vor 2 Wochen in der Schweizer Presse. Der Grund waren die grossen Niederschläge im Landesinnern und die darauf folgenden Wassermassen die die Zubringerflüsse Richtung Iguacu führten. Deshalb entschieden die Verantwortlichen, den ganzen Park für Touristen zeitweise zu sperren. In den Medien sahen wir Bilder von überfluteten Fussgänger-Brücken und riesige Wassermassen, gespickt mit Geröll und Baumstämmen. Doch seit einer Woche ist der Park wieder passierbar.

Zwei Tage zuvor übernachteten wir bei Waldemar, einem Sojabauern im Unterlauf des Iguacu Flusses. Niedergeschlagen zeigte er mit dem Finger auf das Feld und meinte: „Der Fluss, der erst noch 8 Meter höher stand, hat mit die ganze Soja Ernte weggespült. Jetzt bleibt mir nur der Verlust und dass ich neu ansähen muss.“

Dies ging noch vielen andern Bauern ähnlich, die in der Nähe des Flusses ihre Felder betrieben.

Echsen, Schmetterlinge und Tropenklima

Bei Nieselregen wandern wir im Pulk mit andern Touristen auf den glitschigen Holzplanken entlang, immer die tosenden Wasserfälle im Augenwinkel. Farbige Schmetterlinge flattern umher, Urtier ähnliche Echsen huschen ins Unterholz und zur Freude vieler machen sich diebische Nasenbären über herabfallende Speisereste der Besucher her. Sie sind richtig süss anzuschauen, doch ihre scharfen Zähne könnten bei zu viel Aufdringlichkeit schnell gefährlich werden.

Da wir nicht allzu durchnässt den restlichen Tag verbringen möchten, streifen wir uns eine dünne Plastik Regenhaut über. Mit dieser wandern wir über die jetzt geöffneten Holzstege bis zur Plattform mitten in der brodelnden Gischt. Es ist einfach gewaltig, direkt vor den tosenden und lärmenden Wassermassen zu stehen. Hier fühlt man sich klein und demütig gegenüber der mächtigen Natur.

Mit geduckten Köpfen vor der spritzenden Gischt erreichen wir trotz Plastik-Regenschutz pudelnass das angrenzende Ufer. Vor lauter Kondenswasser unter der Plane sind wir wahrscheinlich durchnässter als ohne. Wenigstens ist das Handy noch intakt.

Im Nachhinein sind die Iguazu Wasserfälle immer noch etwas vom wunderbarsten was wir in dieser Art je gesehen haben. Noch ein bisschen beeindruckender als die Niagara Fälle aber auf gleicher Höhe mit den Victoria Falls in Simbabwe.

Ein ungewöhnlicher Kauz

Zurück auf dem Weg zum Campingplatz fällt uns ein komischer Vogel auf. Beim genaueren Hinsehen erkennen wir eine kleine Eulenfamilie. Es handelt sich da um einen Kaninchen Kauz, welcher ganz ungewöhnlich seine Nester in Erdhöhlen gräbt.

Der Vogelpark

Der Parque das Aves ist ein Vogelpark, der sich unmittelbar bei den Iguazu Wasserfällen und daher auch in Gehdistanz zu unserem Übernachtungsplatz befindet. Da ist es selbstverständlich, dass auch wir diesem Park einen Besuch abstatten um es vorwegzunehmen, wir sind vollkommen begeistert. Die grosse Vielfalt an kunterbunten, exotischen Vögeln ist kaum zu übertreffen. Nach eigenen Angaben handelt es sich um den grössten Vogelpark in Lateinamerika.

Wir sind überwältigt von der Vielfalt der teils kuriosen Vögel. Ein schön angelegter Besucherweg führt uns durch fünft begehbare Volieren, wo man die ganze Pracht der südamerikanischen Vogelarten zu Gesicht bekommt. Hokkohühner, Flamingos, Tukane, Eulen, Papageie, Hyazinth-Aras, nur um einige zu nennen, da können wir uns kaum satt sehen.

 

Das Itaipu-Kraftwerk

Itaipu bedeutet übersetzt so viel wie „Der Stein, der singt“. Dies und noch viel mehr erfahren wir auf unserer 3-stündigen Tour durch das drittgrösste Wasserkraftwerk der Welt.

Übrigens, das grösste Wasserkraftwerk der Welt ist der „Drei Schluchten Damm“ in China, welcher wir im Jahre 2014 auf unserer Seidenstrassen-Tour besuchen durften.

10 km nördlich von Foz do Iguacu befindet sich das riesige Wasserkraftwerk. Das lassen wir uns nicht entgehen und so steuern wir diese gut abgesicherte Anlage mit unserem Suri an. Wir entscheiden uns für die grosse Tour, welche nicht nur eine oberflächige Fahrt mit dem Bus anbietet, sondern wir begeben uns ins Herz der südamerikanischen Ingenieurs Kunst und lassen uns dabei die Entstehungsgeschichte und etliche technische Details des Kraftwerks erklären.

So fahren wir kurz darauf entlang der Gänsehaut verursachenden Staudamm-Mauer, wo sich der herrliche Blick auf den Itaipu See auftut. Hier erkennt man erst die wahren Ausmasse dieser Anlage. Immer wieder werden kleine Fotopausen eingelegt. Gebaut wurde das Kraftwerk als Gemeinschaftsprojekt zwischen 1975 und 1982, um den Energiebedarf des südlichen Brasilien zu sichern und gehört heute Brasilien und Paraguay je zur Hälfte.

20 Turbinen, gebaut von ABB und Siemens, bringen 14’000 Megawatt an Leistung, 700 MW pro Turbine. Damit reicht die die Leistung einer einzigen Turbine aus, um Paraguay zu versorgen.

Zur besseren Übersicht ein Vergleich zur Schweiz:

  • die 3 Kernkraftwerke der Schweiz haben eine Leistung von gut 3’000 Megawatt
  • dies ist etwa ein Drittel der Gesamtstromerzeugung
  • alleine 3 der 20 Turbinen von Itaipu würden reichen, um alle Kernkraftwerke der Schweiz zu ersetzen.
  • 1,5 Turbinen von Itaipu haben mehr Leistung als das Kernkraftwerk Gösgen

Es ist überwältigend, mit dem Lift fast 200 Meter in die Tiefe zu rauschen und vor den riesigen Turbinen zu stehen. 34’000 Arbeiter haben an diesem Mammutprojekt gearbeitet und dabei den Zufluss, den Rio Parana auf eine Länge von 170 km gestaut. Nur schon der Stahl der hier verbaut wurde entspricht dem Gewicht von 350 Eifeltürmen.

 

Alles an diesem Bau ist einfach gigantisch.

Planänderung

Das Schöne, wenn man mit dem eigenen Fahrzeug unterwegs ist, man ist flexibel, kann sich auf äussere Veränderungen einstellen und ist nicht an einen starren Fahrplan gebunden.

Dies bewog uns nach reichlicher Überlegung, unser ursprüngliches Ziel, das tierreiche Pantanal auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben.

Heftige Regenfälle, zu dieser Zeit nichts aussergewöhnliches, aber eine ungewöhnliche Hitze von über 40 Grad ist auch für unsere Verhältnisse einfach zu viel. Kommen dann noch die Steckmücken dazu, sind wir uns einig, wir werden Brasilien vorerst verlassen und uns nach Argentinien begeben.

Was wir im Norden von Argentinien so alles erleben werden, dann im nächsten Bericht.

 

Nun wünschen wir euch einen schönen Advent und bis später

Eure Reisenomaden

 

Ruth und Walter